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"Achsenlose" Sensorik

Für die Regelung der achsenlosen polyzentrischen Soft-Antriebe wurden zwei unterschiedliche Arten von Sensoren untersucht. Hierzu zählen Inertial Measurement Units (IMUs) sowie kosteneffektive Biegesensoren (Flex-Sensoren). Herkömmliche in der Robotik eingesetzte Sensoren wie Inkrementalgeber oder Potentiometer benötigen eine mechanische Rotationsachse für die  Winkelbestimmung und können daher nicht verwendet werden.

Die vorerst favorisierten IMUs (Hillcrest FSM-9) zur Erfassung der Antriebsbewegung zeigen bei den Untersuchungen ein Driften der Ausgangssignale. Dieser Effekt tritt besonders bei langsamen, gleichförmigen Bewegungen auf und ist auf die Eigenschaften der verwendeten Gyroskope zurückzuführen. Aktuelle Algorithmen zur Kompensation dieser Effekte sind auf der IMU implementiert, führen allerdings zu Sprüngen der Ausgangssignale, wodurch sie als alleinige Rückkopplungsgrößen für die Regelung nicht verwendbar sind.

Als mögliche alternative Sensorik oder Ergänzung zu IMUs wurde anschließend das Verhalten und die Möglichkeit der Nutzung von Flex-Sensoren untersucht. Hierfür wurde zu Beginn ein 4,5“ Flex-Sensor der Firma Spectra Symbol eingesetzt mit dem ein Gesamtbiegewinkel von ca. 100°  erfasst werden kann. Um die aufgetretenen störenden Einflüsse der Knie-Gelenkbewegungen in der Transversalebene zu reduziert, wurden nach ersten Tests allerdings drei kürzere Flex-Sensoren für die einzelnen Antriebssegmente verwendet. Nach Untersuchung von zwei unterschiedlichen Sensortypen (2“ von Tactilus und 2,2“ von Spectra Symbol) wurden die Sensoren von Spectra Symbol, die eine wesentlich besserer Reproduzierbarkeit der Messergebnisse zeigen, in den Soft-Antrieb eingebaut. Zum Einbau wurden spezielle Sensorhalterungen entwickelt und mittels 3D-Druckverfahren hergestellt.

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Zur Kompensation der nichtlinearen Charakteristiken und Hysterese der Flex-Sensor sowie zur Zusammenfassung der Signale mehrerer Flex-Sensoren zu einem Gesamtwinkel wurden Künstliche Neuronal Netzwerke (KNN) verwendet. Als Testobjekt wurde ein Funktionsmuster des polyzentrischen Antriebes mit 4 integrierten Flex-Sensoren und zwei IMUs eingesetzt. Im Vergleich zu den Messergebnissen mit den IMUs ergibt sich bei der Verwendung der KNN eine gemittelte Winkeldifferenz von 1,25°. Um die Vorteile von beiden Sensortypen auszunutzen und den Signaldrift der IMUs zu kompensieren, wurde eine Sensorfusion basieren auf IMUs und KNN entwickelt [ICORR2015].
Da die Fa. Hillcrest eine neue optimierte Version der Software zur internen Sensorfusion der verwendeten „high performance“ IMUs (FSM-9) zur Kompensation von Signaldrifts entwickelt hat, wurde anschließend eine umfangreiche Untersuchung des Verhaltens der IMUs mit der neuen Software im Vergleich zu einem Referenzsensor durchgeführt. Hierbei wurden an einem Präzisions-Messstand gleichförmige Bewegungen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten durchgeführt und die Ausgangssignale der internen IMU Sensoren (Gyroskope und Accelerometer) sowie das intern fusionierte Ausgangssignal der IMU und das Signal des Referenzsensors untersucht. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass auch die optimierte interne Sensorfusion der IMUs nicht in der Lage ist den Signaldrift komplett zu kompensieren. Bei gleichförmigen Bewegungen mit einer niedrigen Geschwindigkeit (unter 9°/s) ergibt sich ein Signaldrift, der sich unter Umständen bis zu ±200° und weiter erhöht. Diese Untersuchungen weisen darauf hin, dass für das Rückkopplungssignal der Regelung eine reine Verwendung von IMUs aus Sicherheitsgründen zurzeit nicht ausreichend ist. Eine Signalfusion mit einer kosteneffektiven aber robusten achsenlosen Sensorik wie Flex-Sensoren ist daher eine mögliche Lösung um dieses Problem zu beheben.

Aufgrund der beschriebenen Probleme bei der Verwendung der IMUs wurde untersucht, inwieweit sich Flex-Sensoren in Verbindung mit KNN als alleinige Positionssensorik für achsenlose Soft-Antriebe eignen. Experimentelle Untersuchungen zeigen ein sehr gutes Ergebnis, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die alleinige Verwendung von Flex-Sensoren in Verbindung mit KNN zur Regelung von SE_BURG Demonstratoren ausreichend ist. Diese Lösung ist auch aus Kostengründen in Hinblick auf eine spätere Vermarktung sehr attraktiv. Die folgende Abbildung zeigt einen Vergleich zwischen einem Referenzsensor (cyan-farbene Linie), einer linearen Umrechnung (rote Linie) der Flex-Sensoren sowie der Umrechnung mit KNN (blaue Linie).

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Für eine mechanisch robuste und damit sichere Verwendung der Sensorik konnten die Flex-Sensoren sowie kosteneffektive Miniaturdrucksensoren direkt in die Antriebsbalge integriert werden, siehe Abbildung. Die Sensorik ist somit vor Störungen durch äußere Einflüsse geschützt. Da sich in jedem Antriebselement zwei Antriebsbalge befinden, ergibt sich außerdem für jeden Antrieb eine redundante Sensorik, wodurch Ausfälle von Sensoren schnell erfasst und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen für den SE_BURG Demonstrator eingeleitet werden können. Das Anordnungsschema der Flex-Sensoren ist in der Abbildung gezeigt. Für die Verstärkung der Sensorsignale inklusive einer CAN-Bus Konvertierung wurde eine Schaltung entwickelt und aufgebaut, die direkt in die Soft-Biegeantriebe integriert werden kann, siehe Abbildung.

Als Referenzsensorik zum Training der KNN wurden präzise Inkrementalgeber (RE237, Netzer Precision Motion Sensors) eingesetzt, die die Achsenbewegungen einer Referenzmechanik messen, die aus drei Viergelenkketten besteht. Die Referenzmechanik wurde auf Basis der Untersuchungen zur momentanen Rotationszentrum der Soft-Biegeantriebe entwickelt und realisiert, siehe Abbildung.